06.11.2020 – Gelsenkirchen/Berlin. Für eine Berücksichtigung der energieintensiven mittelständischen Industrie in der Nationalen Wasserstoffstrategie hat sich letzte Woche (am 26. Oktober) in Berlin der Unternehmer Lars Baumgürtel aus Gelsenkirchen eingesetzt. Der geschäftsführende Gesellschafter der Voigt & Schweitzer-Gruppe (ZINQ) gehörte zu den sieben Sachverständigen, die im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Wasserstoffstrategie Stellung genommen haben. Die Ausschusssitzung wurde am 27. Oktober zeitversetzt im Parlamentsfernsehen und im Internet auf www.bundestag.de übertragen.
In seiner Stellungnahme wirbt Baumgürtel, der auch Vizepräsident der IHK Nord Westfalen ist, für eine Erweiterung der Nationalen Wasserstoffstrategie. Er kritisierte, dass die Prozesswärme in der Strategie der Bundesregierung bislang keine Rolle spiele. Dabei liege der Anteil der Prozesswärme bei fast zwei Dritteln des Gesamtenergiebedarfs der Industrie.
„Wenn die schätzungsweise 300.000 industriellen Großfeuerungsanlagen der energieintensiven Unternehmen in Deutschland von Erdgas auf Wasserstoff umstellen könnten, wäre für den Klimaschutz schon viel gewonnen“, machte Baumgürtel deutlich wie schnell hier nach seiner Einschätzung sehr viel erreicht werden könne.
Das CO₂-Einsparpotenzial liege in derselben Größenordnung wie bei der Dekarbonisierung der deutschen Stahlindustrie. Seine zentrale Forderung ist deshalb die „gleichberechtigte Aufnahme der Prozesswärme als Anwendung und Handlungsfeld“ in der Wasserstoffstrategie.
Mit der Einbeziehung der Prozesswärme einher geht die Forderung Baumgürtels, die Berechnung des Bedarfs an Wasserstoff zu korrigieren. Die rund 100 Terawattstunden seien viel zu niedrig angesetzt. Den Bedarf sieht der Unternehmer aus Gelsenkirchen eher bei 500 Terawattstunden. Denn er fordert zudem, „dass der Einsatz von Wasserstoff grundsätzlich allen Interessenten zu gleichen Bedingungen offensteht“. Wenn der Staat sich entschließe, Klimaschutz in der Wirtschaft zu fördern, „sollte er dies nicht auf Branchen oder Größenklassen von Unternehmen beschränken“.
Erstaunt zeigte sich Baumgürtel, dass in der nationalen Wasserstoffindustrie nur der Stahl- und Chemieindustrie konkret Förderung in Aussicht gestellt werde. Er verdeutlichte beispielhaft das mögliche Spektrum für den Einsatz von Wasserstoff bei den Herstellern von Kalksandsteinen, Klinkern, Brandkalk, Papier oder Glas sowie in metallverarbeitenden Betrieben wie Gießereien, Härtereien oder Verzinkereien wie auch bei der Produktion von Stärke oder Malz. „Diese Hersteller würden sicher auch gerne von einer Förderung profitieren“, betonte der Unternehmer aus Gelsenkirchen, der Vorsitzender im IHK-Industrieausschuss ist. Wichtig ist Baumgürtel zudem, die Wasserstoffstrategie „technologieoffen“ zu gestalten, also sich nicht allein auf sogenannten grünen Wasserstoff festzulegen. „Diese Fokussierung birgt die Gefahr einer Bremswirkung, da grüner Wasserstoff nicht vor 2030 in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht und zum Luxusprodukt wird, das insbesondere für den Mittelstand unerschwinglich wäre“, so Baumgürtel. Besser sei es, die CO₂-Bilanz von Wasserstoff als Zielkriterium festzulegen und nicht das Herstellungsverfahren, betonte Baumgürtel gegenüber dem Bundestagsausschuss.
Die Stellungnahmen aller sieben Sachverständigen stehen im Internetangebot des Bundestages zum Download bereit.